Doktoratsprojekte

Kerstin Böhm

Das Bekenntnis der Sünden nach dem 1. Johannesbrief im Kontext verwandter Phänomene seines Umfelds

Das Bekenntnis der Sünden nimmt im 1. Johannesbrief eine prominente Rolle ein. Das Verständnis des Autors und die theologische Bedeutung des Sündenbekenntnisses wurden in der Literatur entsprechend diskutiert, die Frage nach dem konkreten Vollzug und den Rahmenbedingungen des Sündenbekenntnisses im Kreis der johanneischen Gemeinde werden dagegen kaum je angesprochen – entsprechende historische Darstellungen zur Entwicklung der Bekenntnis- bzw. Beichtpraxis setzen oft erst mit dem 3. nachchristlichen Jahrhundert ein.

Tatsächlich schweigt der Brief über den Ablauf und die Rahmenbedingungen des Bekenntnisses und lässt nur wenige konkrete Rückschlüsse darauf zu.

Die Praxis, Sünden vor der Gemeinschaft, vor Einzelnen oder vor der Gottheit zu bekennen, stellt indes kein Novum der johanneischen oder christlichen Gemeinden dar.
Im Rahmen dieses Projektes sollen verschiedene Typen geographisch und zeitlich hinreichend naher jüdischer, christlicher und paganer Bekenntnispraktiken erhoben, voneinander abgegrenzt und auf Basis der jeweiligen Quellentexte charakterisiert werden. Eine Reihe von Leitfragen (u.a. nach dem bekennenden Subjekt, der Öffentlichkeit, der Frequenz und dem Anlassfall des Bekenntnisses sowie nach der Konkretion in der Benennung der Sünden) zielt darauf ab, das soziale Setting, die Rahmenbedingungen und die Funktion des Bekenntnisses für die jeweilige Gruppe deutlich und mit ähnlichen Phänomenen vergleichbar zu machen sowie auch die Leerstellen hinsichtlich unserer Kenntnis dieser Phänomene aufzuzeigen.

In einem zweiten Schritt soll der 1. Johannesbrief angesichts der verschiedenen erhobenen Modelle einer erneuten Lektüre unterzogen und versuchsweise mit der „Brille“ der einzelnen erhobenen Phänomene als möglicher Rezeptionshintergrund seiner AdressatInnen gelesen werden. Dabei ist schließlich auch die Plausibilität der verschiedenen Modelle als relevante Vergleichstexte/ Vergleichsmodelle des 1. Johannesbriefs zu diskutieren.

k.boehm@univie.ac.at

Clarissa Breu

Der Text und sein Autor. Zur Autorinstanz und ihrer Tragfähigkeit für die Hermeneutik am Beispiel der Offenbarung des Johannes

In der exegetischen Literatur wird immer wieder der Autorintention als wesentlicher hermeneutischer Kategorie auf den Grund gegangen. Der Autor der jeweiligen Schrift verdichtet sich so zu einem kohärenten Bewusstsein, in dem Argumentationslinien, Ausdrucksweisen, Textanordnung usw. zusammenlaufen. Er steht für die Einsicht, dass die jeweilige Schrift mit einer bestimmten Intention in eine konkrete Situation hinein geschrieben wurde.

Postmoderne Theorien stellen ein Konzept von Autorschaft, das der Bedeutungsfestlegung dient, in Frage. Der Autor ist nicht mehr die Bewusstseins-Instanz, die mit einem bestimmten Ziel Bedeutung schafft und festlegt. Er ist vielmehr in ein Netz von Zeichen verwoben, das ihm vorausgeht und ihn übersteigt. Der Autor tritt hinter den Text zurück.

In der Offenbarung stellt der Autor sich selbst zugunsten des Textes zurück, jedoch von einer anderen Denkrichtung her: Johannes beschreibt sich nicht als in ein Gewebe von Zeichen verwoben, sondern als Werkzeug der göttlichen Offenbarungsinstanz, deren Wille den Inhalt der Schrift bestimmt. Johannes als Autor ist in seiner Schrift zugleich gegenwärtig und abwesend.

Postmoderne Theorien und Johannes' Zurücktreten hinter die göttliche Offenbarung stellen gleichermaßen die Suche nach einer bestimmten Autorintention in Frage.

In der geplanten Arbeit soll Konzepten von Autorschaft in Kommentaren zur Offenbarung auf den Grund gegangen werden, die dann mit postmodernen Theorien ins Gespräch gebracht werden, was schließlich zu einem eigenen hermeneutischen Konzept von Autorschaft in der Offenbarung führen soll.

Leitfrage der Arbeit ist, was die Figur des Johannes als Autor für das Verständnis der Offenbarung austrägt. Dies wiederum soll zur allgemeinen Frage zurückführen, auf welche Weise der Autor als Verstehenskategorie in die neutestamentliche Wissenschaft einbezogen werden kann.

clarissa.breu@univie.ac.at

Wolfgang Ernst

Die Didache im Kontext

Projektziel ist es, die Didache auf dem Hintergrund antiker Vereinigungen und jüdischer Synagogen zu betrachten, um damit die sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhänge jener christlichen Gemeinden am Beginn des 2. Jahrhunderts, deren Verhältnisse sich in der Didache widerspiegeln, genauer und fundierter als bisher, darzustellen. Obwohl der Vergleich paganer Vereinsdokumente mit frühchristlichen Texten des 1. und 2. Jahrhunderts bereits vorgenommen wurde, fehlt eine entsprechende Untersuchung für die Didache.

In der Didache finden sich vielfältige Bestimmungen zur Ordnung eines spezifisch-gemeindlichen bzw. allgemein-sozialen Zusammenlebens. Die Dokumente antiker Vereinigungen bieten vor allem zu ersterem Aspekt zahlreiche Parallelen. Der Zusammenschluss gleichgesinnter Menschen und die damit einhergehende gemeinschaftliche Verpflichtung erforderte jeweils die Schaffung von Regeln. Es sind vor allem diese Ordnungen, die für diese Dissertation von hohem Interesse sind, da sie es ermöglichen, die Didache in Form und Inhalt in ihrem vielfältigen Umfeld zu verstehen. Aus methodischen Überlegen hinaus werden vor allem griechisch aber auch demiotische Quellen von antiken Vereinigungen aus der Zeit bis zum 3. n. Chr. Jahrhundert verwendet werden.

In diesem Rahmen werden auch die expliziten und impliziten Bezugspunkte der Gemeinden der Didache zum synagogalen Judentum in den Blick genommen. Dabei wird zum einen vorausgesetzt, dass es sich bei den Diasporasynagogen um eine spezifische Ausprägung von Gemeinschaft im Rahmen antiker Vereinigungen handelt, zum anderen aber auch das besondere Naheverhältnis des frühen Christentums zum antiken Judentum als wesentliches Moment der Gemeindebildung und Strukturierung in Anschlag gebracht.

wolfgang.ernst@univie.ac.at

Rainer Gugl

Häusliche Religion im frühen Christentum (abgeschlossen im Januar 2019)

Das Doktoratsprojekt untersucht die Rolle des Hauses und der Familie im frühen Christentum. Im Rahmen eines FWF-Projekts (http://domesticreligion.univie.ac.at/) wird dieser Aspekt aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden.

Hintergrund und Relevanz

Das Christentum entwickelte sich nicht aus einem öffentlichen Kult, sondern im Kontext von Familie und Haus. In der Forschung blieb dieser Aspekt bis jetzt aber noch weitgehend unberücksichtigt, sie richtete ihr Hauptaugenmerk stattdessen mehr auf die Entwicklung der frühen Gemeinden. Das Projekt erforscht diesen essentiellen Teil antiken christlichen Lebens, indem die Charakteristika nicht-öffentlichen und familiären Christentums von der griechisch-römischen Epoche bis in spätantike Zeit v.a. anhand der literarischen und archäologischen Zeugnisse in komplementärer Methodik erarbeitet werden. Diese Forschungsarbeit eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis des antiken Christentums und hat hohe Relevanz nicht nur für neutestamentliche Forschung und christliche Archäologie, sondern auch für Kirchen-, Liturgie- und Sozialgeschichte.             

Fragestellungen

Die zu untersuchenden Themenfelder sind vielgestaltig und behandeln zunächst im Allgemeinen das Zusammenleben von ChristInnen und Nicht-ChristInnen. In welchem Verhältnis standen Religiosität und Alltag? Wo konnten Spannungen auftreten? Welche sozialen Dynamiken konnten hier entstehen? Dann wir der Fokus noch auf die ersten genuin christlichen Haushalte zu richten sein: Wie gingen Christusgläubige mit ihrer früheren paganen Religiosität um und wie entwickelten sie eigene Formen alltäglicher Verehrung im häuslichen Umfeld? Welche Konsequenzen hatte ihr neuer Glaube für die verschiedenen sozialen Konstellationen im Haus?

Interdisziplinarität

Das Projekt ist eine Kooperation der Evangelisch-Theologischen Fakultät und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Während erstere die Entwicklungen des frühen Christentums im Kontext von Haus und Familie untersucht, legt letztere den Fokus mehr auf die archäologischen bzw. kunsthistorischen Quellen. Die Erforschung von den Anfängen des Christentums und den Anfängen ihrer materiellen Hinterlassenschaften ist das Hauptanliegen des Projekts und durch diese Verknüpfung sollen die Transformationsprozesse in der Entstehung des frühen Christentums gezeigt werden.

rainer.gugl@univie.ac.at